Niemand mag es, einer Arbeit nachzugehen, die nicht zum erwünschten Ziel führt. Es ist langweilig und entmutigend, in erfolglosen Projekten verharren zu müssen. Mitarbeiter haben meist ein gutes Gefühl dafür, ob ihre Tätigkeit einen Sinn hat, ob sie sichtbare Resultate erzeugen können. Deswegen ist es für Unternehmen wichtig, auch mal „Stopp!“ zu sagen, wenn das eine oder andere Projekt in die falsche Bahn geraten ist. Initiativen prüfen, noch bevor sie umgesetzt werden, ist ebenfalls eine Strategie, die innovative Unternehmen anwenden.
Bespielgebend ist Amazon (Amazon Inc., Handelsunternehmen, USA, Gründung 1994, 647.000 Mitarbeiter, über 233 Mrd. US-Dollar Umsatz (2018)) mit seiner „Working Backwards“-Strategie. Dabei erstellt der Produkt-Manager zuerst eine fiktive Pressemeldung, in der das fertige Produkt angekündigt wird. Die Meldung geht an die Mitarbeiter und die sollen klären, ob es sich überhaupt lohnt, das Produkt zu verwirklichen. Wenn die Teams, die in der Meldung aufgeführten Produktvorteile nicht überzeugend finden, dann besteht Nachbesserungsbedarf seitens des Produkt-Managers. Die Pressemeldung wird so oft überarbeitet (Prozessschleife), bis sich das darin beschriebene Produkt als vorteilhaft für den Kunden erweist.
Im Entwicklungsbereichen, sogenannten Labs des Anbieters von Online-Fremdsprachen-Kursen Duolingo (Fremdsprachenplattform, USA, Gründung 2008, über 300 Mio. User weltweit, mehr als 200 Mitarbeiter, über 36 Mio. US-Dollar Umsatz (2018)), können angemeldete Kunden (Usern) von Online-Kursen, Prototypen kostenlos testen. Gleichzeitig können sich interessierte Personen an Studien beteiligen, die dem Unternehmen dazu verhelfen, seine Sprachkursangebote stetig zu verbessern. Der Zugang zum firmeneigenen Entwicklungsbereichen (Labs) ist zurzeit von allen globalen Webseiten möglich. Sowohl die Angestellten von Duolingo, als auch die weltweit mehr als 300 Millionen registrierten Nutzer können die Labs besuchen und Onlineprodukte testen. Eine andere Innovation sind die Duolingo Events, wodurch Duolingo-Kunden sich auf der ganzen Welt miteinander online vernetzt können.
Der Markenartikel-Hersteller Procter&Gamble (Markenartikel-Produzent, S&P 500-Unternehmen, USA, Gründung 1837, 95.000 Mitarbeiter, über 67 Mrd. US-Dollar Umsatz (2019)) investiert im Rahmen eines GrowthWorks-Programm zurzeit mehr als 8 Millionen US-Dollar, um drei neue Unternehmen mit Milliarden-Dollar-Potenzial in Singapore zu gründen, zu inkubieren (aufzuziehen) und zu skalieren. Allein 6 Millionen US-Dollar dienen davon als Startkapital für ein „Intrapreneurship“ und eine Venture-Building-Einheit der Mitarbeiter. Im Rahmen des Programms laufen zurzeit mehr als 130 Experimente, u.a. zum Identifizieren von Problemen und Verbrauchererwartungen. Mitarbeiter in kleinen Teams können, im Falle von daraus entwickelten und positiv getesteten Maßnahmen, weitere Investitionsmittel erhalten.
Für das liechtensteinische Unternehmen für Befestigungstechnik Hilti (Hilti Corp. Spezialist für Befestigungstechnik, Liechtenstein, Gründung 1941, ungefähr 29.000 Mitarbeiter weltweit, über 5,6 Mrd. CHF Umsatz (2018)) ist die innovative Unternehmenskultur besonders wichtig. Deswegen begeben sich die Mitarbeiter, in zweitägige „Team Camps Pit Stop“, mit den drei Kernelementen: Beitrag zum Unternehmen, Teamentwicklung und Selbstreflexion. Ziel ist es, mit Feedback, Inspiration und Aktionen, alle Vorgänge im Unternehmen zu hinterfragen und zu überprüfen, um die tägliche Zusammenarbeit künftig besser zu gestalten.
CloudFlare (CloudFlare Inc., Web-Security-Unternehmen, USA, Gründung 2009, 755 Mitarbeiter, über 192 Mio. USD Umsatz (2018)) bietet Produkte zum Schutz vor Bedrohungen von Internetseiten an. Um noch besser und wirkungsvollere Produkte anbieten zu können, ermöglicht CloudFlare seinen Mitarbeitern, neue Ideen zu testen, noch bevor diese am Markt umgesetzt werden. Dies geschieht im Rahmen von sogenannten „Spikes“, die etwa zwei Wochen dauern. Infolge dieser Experimente können die Entscheidungsträger im Unternehmen feststellen, ob es sich lohnt, das eine oder andere Produkt auf den Markt zu bringen oder nicht.
Dass Projekte auch mal eingestellt und nicht funktionierende Unternehmensprozesse abgeschafft werden, führt zu mehr Effizienz im miteinander im Unternehmen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass das Abmelden und Einstellen von Prozessen und Projekten nicht zum Tabu-Thema, sondern als etwas Normales betrachtet wird, denn schließlich sind Erkenntnisse aus dem fehlgeleiteten Einsatz in Projekten und Prozessen dazu da, um aus ihnen zu lernen.
Hier geht es zu Teil 4 der Beitragsreihe: Unterschiedliche Perspektiven und Meinungen führen zum Erfolg
Hier geht es zu Teil 6 der Beitragsreihe: Challenge gegen die Alltagsroutine – Unternehmen fordern ihre Mitarbeitenden heraus